Double Binds als Fortschrittsbremse

Alle schreien nach Innovation. Zu Recht natürlich, denn ohne geht’s den Bach runter, früher oder später. Man will ja nicht zu den Dinosauriern gehören (ausser natürlich, man fühlt sich als solcher wohl).

 

Das Thema Innovation ist so alt wie das Unternehmertum selbst. Es hat nur in letzter Zeit etwas Gehecheltes erhalten, weil alles immer schneller geht, und man wähnt den Atem von blutdürstigen, disruptiven Startups im eigenen Nacken, also muss man was tun, um selber schneller und innovativer zu werden.

 

Obwohl, nebenbei bemerkt, momentan scheint es ja eher, als würden diese Startups dann halt einfach geschluckt von den Dinosauriern. Aber lassen Sie uns die Dramatik nicht ruinieren, die wir grad aufgebaut haben.

 

Sie führt dazu, dass sämtliche Grossfirmen immense Anstrengungen darauf verwenden, Innovation zu fördern, und entsprechend lauten auch die Losungen: „Seid mutig!“, „Denkt quer!“, „Disruptiert euch selbst!“, „Erlaubt euch zu scheitern!“

 

Und dann beginnen die Schwierigkeiten. Denn die Belohnungssysteme ticken allzu oft noch gleich, wie sie es vorher getan haben: belohnt wird Erfolg, und Erfolg wird in Geld gemessen. Dabei gibt es Varianten:

 

  • a) Es werden kleine, feine Innovationshubs gegründet, als Nebenjob für intrinsisch motivierte Mitarbeitende, diese Tätigkeit wird jedoch im Belohnungssystem erst gar nicht berücksichtigt. Da braucht es dann schon eine gehörige Portion intrinsische Motivation, um da richtig Elan reinzustecken. Umso mehr, wenn der Linienvorgesetzte in regelmässigen Abständen auf der Matte steht und sich mit wenig verhohlenem Nachdruck erkundigt, ob man wohl gewillt ist, dem Sandkasten zu entsteigen und sich seinen Businesszielen zu widmen.
  • b) Innovationsbemühungen werden belohnt, dann aber nur, wenn die Ideen auch zu Geld führen, und zwar zu möglichst viel. Belohnt wird dann nicht die Innovation, sondern ihr Impact. Klingt erst mal vernünftig, oder zumindest nach dem, was bisher als vernünftig definiert wurde: „Was zählt, sind Resultate.“ Das führt aber zum Double Bind: „Sie mutig, aber scheitere nicht.“ Da kommt die für Kreativprozesse nötige Entspannung auch nicht unbedingt auf.

 

Double Binds en masse. In dieser Kategorie auch beliebt: das Ausrufen einer bereichs- und funktionsübergreifenden Kooperationskultur, und dann stellt sich heraus, dass aber alle weiterhin für die Erreichung der Ziele in ihrem Stammbereich belohnt werden. Da muss man sich dann nicht wundern...

 

Aber was dann? Leistung soll sich doch lohnen, das ist doch der Kern jedes Incentive-Systems, oder?

 

Der eigentliche Witz ist ja, dass der Rückschluss, dass das ja wohl die besten Leute sein müssen, wenn deren Idee am meisten Geld gebracht hat, schlicht Quatsch ist. Denn monetärer Erfolg wird von vielen anderen Faktoren mitbestimmt, nicht zuletzt von Glück, dessen Einfluss massiv unterschätzt wird (man sehe sich mal die Forschung von Kahneman an, seines Zeichens Wirtschaftsnobelpreisträger).

 

Vielleicht sollten wir über die Definition von „guter Leistung“ nachdenken. Und dann vielleicht nicht den finanziellen Impact, sondern Tugenden, Cleverness und Kooperation belohnen, im Vertrauen, dass die Früchte dann schon reifen werden. Klar wird’s dann schwieriger mit der Messbarkeit, aber Sie wollen sich doch nicht benehmen wie der Betrunkene in dem alten Witz, der nachts seinen Schlüssel unter einer Laterne sucht, zwei Blocks entfernt vom Ort, wo er ihn verloren hat, und darauf angesprochen dann meint: „Ja, hier ist’s halt hell.“

 

Werfen Sie doch einfach mal ein Auge drauf, ob in Ihrem Unternehmen wirklich das Verhalten belohnt wird, das Sie sich wünschen. Mit etwas Glück finden Sie einen guten Hebel.

 

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