Wer wertfrei ist, ist skrupellos

Nestle-Konzernchef Mark Schneider wurde in einem Interview kürzlich darauf angesprochen, dass Nestle hochwertige Lebensmittel auch als Hundefutter anbietet, zum Beispiel Ente mit Kürbis, mit der Frage, wie nachhaltig das sei. Seine Antwort: „Es steht mir nicht zu, das zu werten. Wir bieten die ganze Palette und müssen uns auch solchen Konsumentenwünschen beugen.“

 

Müssen Sie? Interessant.

 

Was soll ich denn daraus folgern? Wäre er auch bereit, Drogen und Waffen anzubieten, wenn er zum Schluss kommen sollte, dass es solche Konsumentenwünsche gibt? Die Antwort wäre natürlich ein vehementes und entrüstetes Nein und natürlich ist dieser Vergleich völlig deplatziert, aber konsequenterweise...

 

Ob dieses Hundefutter nun diesseits oder jenseits einer Grenze ist: Es geht nicht auf, wenn Leute behaupten, sie würden nicht werten, oder wenn Unternehmen sich das auf ihre corporate Fahne schreiben. Das ist weder realistisch noch wünschenswert, denn wenn Sie keine Werte haben, dann gibt es auch keine Werte, die Sie verletzen könnten. Das ist aber die Voraussetzung dafür, ein Gewissen zu haben.

 

Wer nicht wertet, kann auch keine Skrupel haben. Und dann ist der Weg nicht mehr so weit zu einer Haltung, die sich um nichts schert, solange es eine Nachfrage gibt und die Profitabilität stimmt.

 

Da kann man sich auch nicht systemtheoretisch hinter Luhmann verstecken mit seinem Postulat, dass ein System durch genau eine Leitdifferenz bestimmt wird, denn das genügt nicht. Das führt zu genau solchen Verkürzungen wie „hier geht es darum, Geld zu verdienen, für etwas anderes sind wir nicht zuständig.“

 

Doch, sind wir, und das wird nicht weniger werden. Der Nachbar quält seine Katze? Es steht mir nicht zu, das zu werten? Nun ja,…

 

Da wird eine profunde, tief in Humanismus und Spiritualität verankerte Haltung, zu der etwa die bedingungslose Wertschätzung gehört, pervertiert – und plötzlich ist alles ganz profillos und glatt. Dann weiss ich aber nicht mehr, wer Sie sind, und Sie werden mir unheimlich.

 

Ich wünsche mir gar keine Unternehmen, die nicht werten. Die Zukunft gehört Unternehmen, die das tun, und dann konsequente Entscheidungen treffen, selbst dann, wenn sie damit auf einen möglichen Profit verzichten. Mit zunehmend flachen, netzwerkartigen, flexiblen Organisationsformen (nein, ich sage das Wort nicht...) werden in Zukunft Menschen mit Zivilcourage, solche, die sich exponieren und sich einsetzen für Werte, innerhalb und ausserhalb von Organisationen eine starke Stimme haben. Das wird nicht einfacher, aber auf jeden Fall vitaler, produktiver und kreativer, was alle Unternehmer wollen.

 

Wer aber dieses B will, muss auch A sagen. Sich auf den Markt zu berufen, ist in Ordnung, genügt aber nicht. Es gibt auch einen Markt für Sklaven und einen für Unsinn. Freier Wettbewerb? Na klar, gerne, aber ohne Scheuklappen. Die taugen nicht, wenn Sie kein Pferd sind. Sie helfen zwar zur Beruhigung, aber den Tunnelblick können Sie sich als Unternehmen nicht leisten.

 

Setzen Sie sich mit Ihren Werten auseinander und mit den Konsequenzen, die sie für Ihre Arbeit haben. Das ist viel besser, als sich in ein nobles Versteck zu flüchten und Buddha zu spielen.

 

Welches Argument fehlt noch? „Wenn wir dieses Geschäft nicht machen, macht es ein anderer!“

 

Ja, vielleicht. Und?

 

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