
Alle reden immer von dieser Aristoteles-Studie von Google und davon, dass sie gezeigt hat, das psychologische Sicherheit der wichtigste Faktor für leistungsfähige Teams ist. Was ich auch gar nicht bestreiten würde: Ohne dieses Fundament kann man ganz viel Anderes vergessen.
Und was ist passiert? Es ist eine ganze Industrie entstanden rund um psychologische Sicherheit und wie man die speziell fördert und herstellt, und ständig werden Workshops abgehalten zu diesem Thema. Wobei, ganz ehrlich: die sind ja eigentlich für nichts, aber davon dann das nächste Mal.
Zurück zu dieser Studie: Die hat ja nicht nur einen, sondern fünf Faktoren ausgespuckt. Wissen die wenigsten. Hat sie aber.
Es ist doch, Entschuldigung, richtig dumm, wenn eine Studie fünf Faktoren ausspuckt, und die ganze Welt redet nur von einem. Den Rest der Ergebnisse haben alle einfach links liegen lassen. Das ist ja, als würde man sagen: «der wichtigste Faktor für das Überleben in der Wüste ist das Trinken. Also, hier hast du Wasser, und jetzt ab in die Sahara-Durchquerung.». Sonnenhut? Proviant? Fehlanzeige. Und dann wundert man sich...
Warum redet niemand vom zweitwichtigsten Faktor? Lasst uns doch wenigstens die Nummer zwei noch ins Spiel bringen. Das war nämlich Verlässlichkeit, und alles, was darunter subsummiert wird – Versprechen halten, Aufgaben gewissenhaft erledigen – hat etwas zu tun mit Disziplin.
Ich bin ja von Haus aus Psychologe, also freut es mich natürlich, wenn über psychologische Sicherheit gesprochen wird. Ich habe aber auch fünfzehn Jahre Leistungssport getrieben, wollte mal Jazzpianist werden und habe mich noch für verschiedene andere Dinge interessiert, und eines ist klar: egal in welchem Feld, hohe Leistung hat immer, und ich sage nochmals immer, etwas zu tun mit Disziplin.
Das klingt erst mal eher unattraktiv und stier und passt ganz sicher weniger gut in den Zeitgeist als psychologische Sicherheit, aber ich kann Ihnen sagen, ohne Disziplin können Sie auch ganz Vieles vergessen, und ausserdem kann sie auch richtig cool sein.
Ich höre von Kund:innen oft Klagen, die sich so anhören: «Wir kriegen nichts auf die Reihe». «Wir machen nichts fertig, bevor wir das Nächste beginnen». «Wir halten keinen Termin ein». «Irgendwann verläuft alles im Sande».
Die Folge: extreme Frustration und Demotivation. Umgekehrt: wenn richtig was geht, wenn eine Organisation PS auf den Boden kriegt, wenn nach A auch B folgt – dann ist das richtig befriedigend, und um Motivation müssen Sie sich dann auch nicht noch separat kümmern.
Ist ja eh so eine Sache: wenn ich von irgendwelchen Massnahmen zur Motivationssteigerung höre, frag ich mich immer: ist denn das Arbeiten dort so scheisse? Und wäre das dann nicht das eigentliche Thema? Aber das nur am Rande.
Das Schöne an Disziplin: sie ist richtig gut lernbar und trainierbar, und zwar auch für selbstdeklarierte Chaoten. Und sie lässt sich sehr effektiv strukturell unterstützen: Rahmenprozesse, Checklisten, Spielregeln, you name it. ich weiss, wovon ich rede, schliesslich habe ich meine berufliche Laufbahn als Chaot begonnen.
Disziplin ist ein Ausdruck von Professionalität. Und, auch wenn das momentan manchmal fast untergeht: eine Organisation existiert, um eine bestimmte Leistung zu erbringen. Organisationsentwicklung muss deshalb immer auch den Blick auf Disziplin haben, und das sage ich als jemand, dem die humanistische Dimension in der Beratung und in der Führungsarbeit extrem wichtig ist.
Also: wenn Du Lust hast auf Organisations-Tuning, und wenn dir die Regionalliga nicht genug ist: kümmere dich unbedingt, auf positive Weise, auch um Disziplin.
Artikel als podcast: Apple Podcasts Google Podcasts Spotify