Organisationsentwicklung: Identitätsklau ist nicht immer illegal

Organisationsentwicklung: Identität wächst. Man kann sie nicht schlucken.
Umgebung ist wichtig für die Identität

Im März erschien in der Sonntagszeitung eine kurze Notiz zu einer Ausstellung der UBS über ihre frühe Firmengeschichte. Die UBS wolle aufzeigen, «wie ihre Vorgängerbanken zur erfolgreichen Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft beigetragen haben.» In den gezeigten Videos spiele Alfred Escher eine wichtige Rolle. Kommentar der Zeitung: die UBS habe «durch die Übernahme der CS sozusagen im Vorbeigehen eine Gründerfigur erhalten, die sie nun für ihre Vermarktung nutzt.»

 

Soso.

 

Alfred Escher als Gründerfigur der UBS? Steile These. «Vorgängerbank»? Hat die UBS da eine «Nachfolge» angetreten? Hab ich was verpasst?

 

Was ist denn das für ein Signal, wenn die UBS, wenn sie ihre Wurzeln beschreiben will, welche klauen muss? Hat sie selbst nicht genügend Identität? Kommen in dieser Geschichte diejenigen, die damals bei Bankverein und Bankgesellschaft dabei waren, auch vor? Und wenn nicht, wie finden die das?

 

Vielleicht ist die Absicht ja, Wertschätzung für die Geschichte und die Erfahrung der vielen dazugekommenen Kolleg.innen von der CS auszudrücken. Das wäre an sich klug und ratsam. Diese Umsetzung ist dann aber ein riskanter Pfad, denn zwischen Wertschätzung, Vereinnahmung und Enteignung gibt es heikle Unterschiede und Grenzgebiete. Bisher waren die Mitarbeitenden der CS immerhin Teil einer eigenen Vergangenheit und Identität; jetzt wird die auch noch gekapert? Und wie sollen sie dazu bewogen werden, sich ein eine UBS-Kultur einzufügen, wenn sich die UBS als Nachkomme der CS darstellt? Wer ist hier eigentlich im Lead?

 

Nur weil ich meine Frau geheiratet habe, habe ich ja nicht ihre Biografie erlebt, oder? Okay, die Analogie hinkt, UBS-CS war ja keine Fusion (und selbst wenn, würde die Analogie zu einer Hochzeit trotzdem stark hinken, ich weiss), sondern eine Übernahme. Aber schlucken kann man eine fremde Identität ja auch nicht einfach. Ich werde kein Schnitzel, weil ich eins esse. Also gut, das war jetzt blöd, ich wollte nicht die CS mit einem Schnitzel...das läuft jetzt ein bisschen aus dem Ruder, aber Sie wissen, was ich meine, oder?

 

Natürlich ist bei jeder Übernahme die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Geschichten, Kulturen, Erfahrungen, Gewohnheiten, impliziten Annahmen usw., die da zusammenkommen, extrem wichtig, besonderes, wenn ein Teil sich in den anderen im Wesentlichen einzufügen hat. Wenn diese Reflexion nicht geschieht, werden diese unterschiedlichen inneren Welten einfach im Untergrund wirken anstatt in reflektierter und integrierter Weise und mehr oder auch weniger diffus Sand ins Getriebe streuen.

 

Diese Auseinandersetzung mit Anstand und Umsicht anzugehen, damit eine echte Integration gelingt, ist extrem anspruchsvoll. Schliesslich gerät die Identität bei allen Beteiligten ins Vibrieren, nicht nur bei denen, die dazukommen. Muss sie ja auch, wenn etwas Gemeinsames wachsen soll. Schliesslich will vieles neu und gemeinsam verhandelt, definiert und vergemeinschaftet werden. 

 

Ich bezweifle, dass ein Akt der Vereinnahmung da zielführend ist. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als UBS wäre mindestens so wichtig. Eine Firma, die etwas integrieren möchte, muss erst mal von sich selber wissen, was sie sein möchte.

 

Aber vielleicht geschieht das ja auch alles und noch vieles Gutes und Richtiges und Umsichtiges mehr. Was weiss ich schon, war ja nur eine kurze Zeitungsnotiz, die mich zu ein paar Gedanken geführt hat, und die Ausstellung hab ich auch nicht gesehen, gebe ich ja zu. Also: in dubio Zuversicht.

 

Auf die erwähnten Aspekte gut achtzugeben kann auf jeden Fall nicht schaden. Auf ein gutes Gelingen, im Interesse aller.

 

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