Der satirische Jahresrückblick 2020

Leadership Entwicklung: auf zu  neuen Horizonten.
Auf zu neuen Horizonten. Foto: Tibor Koromzay

Ein Software-Tool von Microsoft analysiert anhand von Mail- und Kalenderdaten, wie sinnvoll Sie Ihre Zeit verbringen, anhand von Kriterien wie Fokus, Wohlbefinden und Zusammenarbeit. Die Datenqualität lassen wir hier mal beiseite. Der Clou, meint ein Anwalt, der Firmen im Zusammenhang mit dem Tool berät: Wenn das Tool schlechte Werte punkto Wohlbefinden anzeigt, könne das ein Mitarbeitender beim Mitarbeitergespräch als Argument nutzen, um Unterstützung zu fordern. Klasse. Jetzt sind wir also soweit: meine App sagt meinem Chef, wie es mir geht. Kein Wunder, hat man von dem Tool nichts mehr gehört.

 

Eine Neuroforscherin findet heraus, dass Streicheleinheiten mit drei bis zehn Zentimetern pro Sekunde und bei einer Temperatur von zweiunddreissig Grad die Rezeptoren der Haut besonders stark anregen. Wenn Sie also das nächste Mal einen romantischen Moment erleben, halten Sie schon mal Stoppuhr und Thermometer bereit.

 

Ein Anlageberater von Genève Invest im Tagesanzeiger vom 3. April, also während des Lockdowns: „In Krisenzeiten kann ich mehr rausholen für meine Kunden.“ Wie muss ich denn das verstehen? Corona, Kriege, Erdbeben, und er liebt es? „Oh, da ist ein Altersheim abgebrannt, her mit den Sarg-Aktien?“ Erfrischend direkt. Nun, zumindest war es kein falsches Zitat (nur der erste Satz, meine ich, das mit den Särgen war von mir, Entschuldigung), es stammt nämlich aus einem gesponserten Beitrag. Es ist also anzunehmen, dass die Firma genau das sagen wollte, was sie da sagt: Krisen sind doch irgendwie toll.

 

Der markige CEO eines Headhunting-Unternehmens äussert sich mit kernigen Aussagen zu Co-Leitungen, und zwar wie folgt: „Co-Führungen sind geteilte Verantwortung. Wenn aber jemand Verantwortung lieber teilt, als sie allein zu tragen, dann ist er für die Führung wenig geeignet.“ Hört hört. Immer wenn man glaubt, das Heldenmodell der Führungskraft sei ausgestorben, taucht wieder so ein T-Rex mit einem blutigen Stück Fleisch im Maul auf. Und dann setzt er noch einen drauf: „...wenn ein Unternehmen Führung in Teilzeitpensen und damit Frauen in Führungspositionen ermöglichen will,...“. Na klar, Männer würden ja nie auf die Idee kommen, in Teilzeit führen zu wollen. John Wayne war ja auch nicht Teilzeit-Cowboy. Die Dinosaurier sind noch unter uns, aber sie werden weniger. Hoffentlich. Bitte.

 

Leadtext am 8. August: „Lonza-Chef Albert Baehny stellt den Wirkstoff für Moderna her!“ Dass er dafür noch Zeit hat neben seinem CEO-Job...wann hören wir auf mit diesem Quatsch?

 

Ein Berufspilot füllt ganze Hallen mit Führungskräften, denen er dann erklärt, was sie von Piloten lernen können. Ersetze „Pilot“ durch „Bergsteiger“, „Dirigent“, „Gleitschirmflieger“, „Spitzensportler“. Das füllt Hallen, und kurzzeitig euphorisierte Führungskräfte raunen sich zu: „Toller Vortrag. Müssen wir uns echt hinter die Ohren schreiben.“ Transferwahrscheinlichkeit: gegen null tendierend. Werde ich nie verstehen.

 

Und dann, natürlich: Ein Psychoanalytiker (wer sonst?) wird befragt (Wieso meinen eigentlich alle, ausgerechnet Psychoanalytiker können die Welt erklären?) aber egal. Er wird also befragt, unter anderem zum Thema Gaffer bei Unfällen. Seine Deutungskanonade: „Was denken denn die meisten Gaffer insgeheim? (der Analytiker weiss das natürlich.) Ah ja, da ist wieder einer zu schnell gefahren, das hat er nun davon (zweifellos der naheliegende Gedanke, wenn man vor einem daliegenden blutüberströmten Schwerverletzten steht). In diesem strengen Urteil schwingt aber immer die Lust mit, am liebsten dasselbe zu tun, auch mal auf der Autobahn zu rasen (ja, wollte ich immer schon mal). Gleichzeitig hat der Gaffer ja auch teil an der Bestrafung (ein Unfall als Bestrafung? Jetzt wird’s irgendwie fanatisch), die ja auch eine Lust ist (logisch. Sagen Sie nicht, Sie empfinden keine Lust beim Bestrafen. Haben Sie heute schon bestraft?).“ Wenn ich das nächste Mal „Der Psychoanalytiker...“ lese, blättere ich einfach weiter. Ehrlich.

 

Das Jahr hat genug Wahnsinn bereitgehalten. Ich wünsche Ihnen viel Gutes für 2021.

 

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